Umwelt und Mission

„Ueberall bekämpft die Mission die Trägheit. Sie erzieht die Naturvölker zur Seßhaftigkeit und zum Ackerbau, vermehrt den Productenreichthum der Länder, bahnt einen soliden Handel an und begründet auf diese Weise auch einen äußeren Wohlstand. … überall erheben sich neben der Wohnung des Missionars jetzt nette, reinliche Häuschen. Man fängt an sich anständig zu kleiden; weite Strecken Land werden cultivirt; der Pflug ist eingeführt, Wege und Straßen werden gebaut, eine regelmäßige Postverbindung ist eingerichtet; der Handel namentlich mit Mais beträchtlich…“

Dieses Zitat aus Gustav Warneck zeigt nicht nur, wie sich die Berliner Missionsgesellschaft als eine der Wirtschaft und dem Staat verpflichtete Gesellschaft verstand. Es zeigt sich außerdem, wie sehr Missionsunternehmen in die natürlichen Bedingungen der Missionsgebiete eingriffen: durch Landwirtschaft, Infrastruktur oder die Einführung neuer Pflanzen – wie dem Mais – veränderten Missionare die Umwelt.

Ich habe mit einem neuen Forschungsvorhaben zur Umweltgeschichte der christlichen Missionen in europäischen Kolonien begonnen, das auch starke wissenshistorische Komponente hat. Es geht um die Arten, wie Missionare Wissen über die Natur zusammentrugen und darstellten, in der sie lebten und arbeiteten. Dieses Wissen steht zweifelsohne in einem Bezug zur Missionsarbeit, denn nur mithilfe des Wissens von natürlichen Gegebenheiten, war es Missionaren möglich in den neuen Landstrichen zu überleben und ein sich selbst tragendes Gemeinwesen zu leiten. Das Auskommen dieser (teilweisen neu etablierten) missionarischen Gemeinwesen wurde durch eine mit europäischen Nutzpflanzen und -tieren zumindest durchmischte Landwirtschaft gesichert. Straßenbau, der Bau von Brücken, die Nutzung von Rohstoffen zum Bau von Häusern, Kirchen und Wirtschaftsgebäuden, die Eröffnung neuer Landstriche für andere Europäer sind einige Beispiele für die Wirkung von Mission auf ‚natürliche‘ Prozesse. Neue, europäische Arbeitsprozesse in der Landwirtschaft und die Verbreitung von europäischen Nutzpflanzen waren dabei Teil einer Zivilisierungsideologie, die im 19. Jahrhundert in vielen Bereichen der Kolonialpraxis europäischer Staaten vorhanden war.

Die Landnutzung beeinflusste also die soziale Ordnung und die räumliche Ordnung: Wie die CMS-Missionare John Henry Bernau in British Guayana oder John Hines in Kanada hervorhoben: Die räumliche Konzentration von Dorf und Feldern schaffte für beide Missionare die Gelegenheit, ihre Bekehrungsarbeit voranzutreiben und die Bewohner beieinander zu halten. Und auch William Cockran, der seine Zielgruppe über mehrere Wochen durch die westkanadische Wildnis begleitet hatte, überredete die verschiedenen Familienverbände schließlich, ihre Lebensweise zu ändern und anstelle der Wanderungen ein sesshaftes Leben mit Landwirtschaft zu beginnen.

Aus diesen und vielen anderen Dokumenten der Church Mission Society, die im Archiv der Universitätsbibliothek von Birmingham lagern, war die Landwirtschaft nach dem Bau von Häusern und Kirchen die dritte Säule einer erfolgreichen Missionssiedlung, manchmal ging die Anlage von Feldern sogar der Errichtung von Gebäuden voraus, um schon frühzeitig eine Ernte einfahren zu können. Denn solange die Station sich selbst nicht versorgen konnte, war sie von Geldspenden und Zuweisungen der Missionsorganisation, der Kolonialverwaltung oder von Privatpersonen abhängig. Ihr Erfolg wurde im gleichen Maße an der erreichten wirtschaftlichen Autarkie oder Marktstellung gemessen, wie an den materialisierten Symbolen der Häuser und Kirchen. Die Landwirtschaft war der erste und häufig der wichtigste Zweig der Missionswirtschaft. Sie erfüllte die grundlegenden Bedürfnisse, Hungersnöte zu vermeiden und Bewohner an den Ort der Missionssiedlung zu binden.

War das Dorf angelegt, dann unterhielten Viele – auch aus Gründen der Eigenversorgung – einen eigenen Garten, den Missionsgarten, der wohl vielfältige Funktionen erfüllte: Erstens waren der Garten ein Vorbild für die Landwirtschaft des Dorfes. In ihnen konnte der Missionar sein Können beweisen und den Nutzen vor Augen stellen, welcher eine kleine Landwirtschaft für das Leben eines Christen besaß. Vielleicht diente er zweitens dazu, die Überlegenheit des eigenen Wissens von europäischer Landwirtschaft zu unterstreichen. Drittens konnte der Missionar verschiedene Pflanzen ausprobieren, denn es bestand nicht allerorten eine Erfahrung damit, wie eine europäische Feldwirtschaft, vielleicht sogar mit europäischen Feldfrüchten funktionieren könnte. Viertens war ein solcher Garten dem Missionar eine willkommene Möglichkeit, ein wenig Heimat in der Abgeschiedenheit der Missionsstation zu etablieren. Der von Europa Getrennte versuchte hier, ihm bekannte Nutz- und Zierpflanzen zu ziehen.

So ein Missionsgarten wirkte sich grundlegend auf die Umwelt aus. Denn mit der europäischen Bodennutzung und dem Einführen von europäischen Pflanzen und Nutzpflanzen, veränderten sich Bodenbeschaffenheit und Flora. Damit trug die Mission auch dazu bei durch diese Neophyten endemische Nutzpflanzen zurückzudrängen und damit den Pflanzenbestand einer Region nachhaltig zu verändern.

Die Anlage von Siedlungen, die Landwirtschaft, die Einführung von Tieren und Nutzpflanzen, der Infrastrukturbau und eine durch Biologie, Geografie und Geologie geprägtes Naturverständnis wirkten sich auf die Umwelt in den Missionen aus. So wirkten sich die Missionen weltweit auf die jeweilige Umwelt aus und banden die vielen Orte ein in eine globale Transformation von Umwelt im kolonialen Zeitalter. Dabei lassen sich Beispiele aus den Missionen in den spanischen Kolonien in Amerika und den Philippinen genauso untersuchen, wie die britischen Missionen in Kanada oder eben die Berliner Mission in Südafrika, über die der am Anfang zitierte Gustav Warneck schrieb. Ich bin gespannt, was aus der Forschung herauskommen wird…

Katholische Mission im südlichen Sudan (1848–1960)

In den über 100 Jahren seit dem Beginn der katholischen Missionsarbeit unter den Missionaren Ryllo und Knoblehar bis zur Unabhängigkeit des Sudans zeigen sich zwei wichtige Konstanten: Die Missionsarbeit hätte nich überlebt, wenn die internationale Unterstützung und die sudanesische Leitungsschicht gefehlt hätten. In meinem Buch „Die missionarische Gesellschaft“ (2011) und in zwei Aufsätzen zur Geschichte der katholischen Mission im südlichen Sudan arbeite ich diese beiden Aspekte heraus.

Ignaz Knoblehar

Die internationale Unterstützung ist für ein Unternehmen, das eng mit kolonialer Expansion verbunden ist, nicht weiter überraschend. Vielleicht erscheint das Engagement des österreichischen Kaiserreichs zu Beginn einigermaßen ungewöhnlich. Die häufig aus österreichischen Ländern stammenden Missionare (Ryllo – Galizien, Knoblehar – Slowenien, Mitterutzner – Tyrol, Comboni – Lombarde) teilten ihre Erfahrung, mittels der katholischen Kirchenhierarchie den Nachteil ausgleichen zu können, einer der nationalen Minderheiten des Vielvölkerstaats anzugehören. Diese Erfahrung vermittelten sie auch im Südsudan: Ihre Arbeit konzentrierte sich auf die Ausbildung und die Schulung eines Leitungspersonals, das sich aus den ethnischen Gruppen der Region rekrutierte. Die Dinka und Bari, aber auch andere Gruppen, waren zunehmend unter den Druck aus Khartoum gekommen. Diese expansive Arabisch sprachige, mit dem Pasha in Alexandria verbündete Macht beendet die politische, kulturelle und religiöse Eigenständigkeit der Gruppen. Die Missionare versuchten nun, eine Gegenmacht aufzubauen, gründeten Schulen, lehrten das Christentum und europäische Sprachen und versuchten, in Europa weitere Unterstützer für dieses Projekt zu gewinnen.

Saturnino Ohure/Lohure Hilangi

Der Konflikt zwischen dem Süden des Sudans und dem hauptsächlich muslimischen Norden mit der Hauptstadt Khartoum, zeigt sich also schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die kulturellen Unterschiede zwischen diesen Gebieten wurden durch das Wirken der Missionare um den Gegensatz einer teilweise christlich bekehrten Minderheit zur arabisch-muslimischen Herrschaft verstärkt. Diese Auseinandersetzung zeigte sich auch in der Unabhängigkeitsbewegung in den 1960er Jahren, in der die Aktivisten und Kämpfer aus dem Süden häufig aus dem Milieu der Missionen stammten und sich gegen eine Dominanz des islamischen Nordens wandten. In den Missionen hatte sich nämlich eine Gruppe von sehr gut ausgebildeten Leuten bilden können: Sie hatten die Missionsschulen in den Dörfern und eine der verschiedenen weiterführenden Schulen im Südsudan besucht. Nun strebten sie entweder in der Kirchenorganisation oder im zivilen Leben nach einflussreichen Stellungen, was ihnen zum Teil von europäischen Missionaren, zum Teil von arabischen Beamten versagt wurde.

Nachzulesen sind die Geschichten in:
Helge Wendt (2011). Die Missionarische Gesellschaft. Mikrostrukturen einer kolonialen Globalisierung, Stuttgart: Franz Steiner Verlag.
Helge Wendt (2018). Central European Missionaries in Sudan. Geopolitics and Alternative Colonialism in Mid-Nineteenth Century Africa, in: European Review 26, 3, pp.1–11 doi:10.1017/S1062798718000182.
Three Steps into an Independent Catholic Church Organization in South Sudan. Decoloniality in a Colonial Environment (1848–1974). Mission und dekoloniale Perspektive, hg.v. Ulrich van der Heyden und Helge Wendt. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2020.

 

Mission transnational, trans-k/colonial, global.

SierraLeoneHofstra2.2
Das Fourah Bay College in Freetown (Sierra Leone) ist einer der im Artikel behandelten Orte.

Der Sinn dieses Beitrags war (und ist es unverändert heute), auf den Call-for-Articles der Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte zu reagieren, die ein Themenheft zu transnationalen Perspektiven in der Mission und Missionsgeschichtsschreibung ausgelobt hatten. Transnationale Perspektiven auf Geschichte bergen den Vorteil, nationale Verkürzungen an solchen Stellen zu vermeiden, an denen ein erweiterter Blick notwendig und für die Erkenntnis von Zusammenhängen weiterführender ist. Jedoch kann das Nationale und damit auch die transnationale Geschichte für Missionsgeschichte nicht alle die seinerzeit möglichen Verbindungen beschreibbar machen. Der Aufsatz stellt verschiedene Situationen transkolonialer Verbindungen vor: Missionare aus einem anderen Land, Verbindungen zwischen Missionierten über Kolonialgrenzen hinweg, Verbindungen zwischen Missionierten und nicht-Missionierten. Außerdem kann eine solche transkoloniale Perspektive dazu beitragen, relativ kurzzeitig auftretende lokale Verschiebungen, die für die Ausrichtungen und Richtungsentscheidungen der Missionen von Bedeutung sind, eingehender als bisher zu berücksichtigen.

Den Aufsatz habe ich kurz nach der Fertigstellung meiner Dissertation geschrieben. Er verwendet recht viel während der Dissertation gewonnenes Archivmaterial und versucht gleichzeitig, einen anderen Akzent zu legen. Das Argument, dass die lokalen Bedingungen besonders wichtig sind, bildet die Grundlage für die Dissertation „Die missionarische Gesellschaft“ und diesen Zeitschriftenartikel.

The purpose of this contribution was (and remains unchanged today) to respond to the Call-for-Articles of the Swiss Journal for Religious and Cultural History, which had offered a thematic booklet on transnational perspectives in mission and mission history writing. Transnational perspectives on history have the advantage of avoiding national shortening in those places where a broader view is necessary and more far-reaching for the recognition of contexts. However, the national and thus also the transnational history for mission history cannot make all the conceivable connections describable. The essay presents various situations of transcolonial connections: Missionaries from another country, connections between missionaries across colonial borders, connections between missionaries and non-missionaries. In addition, such a transcolonial perspective can contribute to a more detailed consideration of relatively short-term local shifts that are important for the orientations and choices of direction of the missions.

The essay was written shortly after the completion of my dissertation. The paper uses quite a lot of archive material gained during the dissertation and at the same time tries to set a different accent. The argument that local conditions are particularly important forms the basis for the dissertation „The Missionary Society“ and this journal article.

Vollständige Angabe:
Helge Wendt, Mission transnational, trans-kolonial, global. Perspektivverschiebungen in der Missionsgeschichtsschreibung, in: Schweizer Zeitschrift für Religions- und Kirchengeschichte 105 (2011), 95–116.

Der Aufsatz ist mittlerweile auch online zugänglich auf der Seite der e-journals der ETH Zürich: zum Artikel

Die missionarische Gesellschaft — The missionary society

Wendt_Missionarische-Gesellschaft_CoverKurztext

Aus kulturhistorischer Perspektive zeichnet Helge Wendt die Gesellschaftsgestaltung durch katholische und protestantische Missionare aus verschiedenen europäischen Kolonialstaaten zwischen 1700 und 1900 nach. Dabei arbeitet er besonders den inhaltlichen und theoretischen Zusammenhang von Mission, Globalisierung und Kolonialismus heraus.
Der Fokus liegt auf der Missionssiedlung, in der die missionarische Gesellschaft verwirklicht werden sollte. Wie stellten sich die Missionare das Zusammenleben von nicht-europäischen und europäischen Gruppen vor und welche Formen konnten sie verwirklichen? Wie trugen die Erziehungsbemühungen zur Integration der missionarischen Gesellschaft bei? Und wie sollte sich die Förderung eines indigenen Klerus im schwierigen kolonialen Kontext gestalten? Beispiele aus spanischen, englischen und französischen Kolonialgebieten in Süd- und Nordamerika, West- und Ostafrika, Indien, Sri Lanka und den Philippinen verdeutlichen einen diskursiven Zusammenhang, der sich in den Missionen vor Ort zu einer mestizischen Gesellschaft verdichtete.

From a cultural-historical perspective, Helge Wendt traces the social structure of Catholic and Protestant missionaries from various European colonial states between 1700 and 1900. In doing so, he particularly works out the contextual and theoretical connection between mission, globalisation and colonialism.
The focus is on the mission settlement in which the „missionary society“ should be realized. How did the missionaries imagine the coexistence of several non-European and European groups? How did the educational efforts contribute to the integration of the „missionary society“? And how should the promotion of an indigenous clergy be shaped in the difficult colonial context? Examples from Spanish, English and French colonial areas in South and North America, West and East Africa, India, Sri Lanka and the Philippines illustrate a discursive context that condensed into a mestizo society in the local missions.

Franz Steiner Verlag